Ich wurde transplantiert

  • Teil I:
    • Ich wurde transplantiert
    • Wie werde ich Lebenspender?
  • Teil II:
    • Stammzellen – embryonale und adulte –
    • Nabelschnurblut – ein kostbares Gut

Informationen über Knochenmarktransplantation, Stammzellen und Nabelschnurblut

Im Frühjahr 1997 spürte ich zum ersten Mal bei Belastung eine Atemnot. Beim Treppensteigen bekam ich keine Luft, schnaufte wie ein Walroß. Auch bei kleineren körperlichen Arbeiten bekam ich Herzrasen. Da ich als Kind mal Herzprobleme hatte, stellte ich logischerweise meine eigene Diagnose: „Ich hab‘s am Herzen“ Nach längerem Zögern (keine Zeit, keine Termine) wagte ich mich dann doch zum Arzt. Die Blutuntersuchung fiel dann sehr schlecht aus. Mein Hb-Wert war zu niedrig.

Hb ist das Hämoglobin, der rote Farbstoff in den roten Blutkörperchen, die auch ERYTHROZYTEN genannt werden. Die roten Blutkörperchen werden im Knochenmark gebildet, haben eine durchschnittliche Lebensdauer von ca. 120 Tagen und werden dann abgebaut. Die wichtigste Aufgabe der Erythrozyten besteht darin, den Sauerstoff, der in den Lungen aufgenommen wird, durch die Blutgefäße in das Gewebe zu transportieren. Wenn zu wenig Blutfarbstoff -Hb- vorhanden ist, kommt es zu Symptomen wie Müdigkeit, Luftnot und Schwäche.

Normalwerte des Hämoglobin

  • bei Männer 14 – 18 g/100 ml
  • bei Frauen 12 – 16 g/100 ml

Mein Arzt verordnete mir Eisentabletten zur regelmäßigen Einnahme und in 14 Tagen sollte ich zur Kontrolle kommen. Gesagt, getan! Aber nach 14 Tagen hatte sich mein Hb-Wert trotz der Eisentabletten verschlechtert, er lag nur noch bei 7,7, also die Hälfte des Normalwertes. Ich musste sofort zur Untersuchung in die hämatologische Ambulanz in die Uni.

„Ihr Blutbild ist nicht in Ordnung. Es muss eine Beckenpunktion durchgeführt werden, um eine genaue Diagnose stellen zu können. „Entsetzt rief ich: „Nein, nein, nur das nicht.“ Es traf mich wie ein Keulenschlag. Tränen liefen, ich bittete und bettelte um andere Untersuchungsmethoden. Ich hatte zwar schon etliche Kniegelenkpunktionen hinter mir, bedingt durch meine rheumatischen Beschwerden, aber die Beckenpunktion war eine echte Hororvision für mich. Nach längerer Diskussion und gutem Zureden des Arztes willigte ich unter Tränen ein. Mein Mann durfte zum Glück im Zimmer bleiben, mich beruhigen und Händchen halten. Das hat mir sehr geholfen!

Die Blutbildung findet im Knochenmark statt – nicht zu verwechseln mit dem Rückenmark – Knochenmark befindet sich im Inneren der Knochen, vor allem im Beckenknochen und Brustbein. Das Knochenmark ist das blutbildende System. Zur genauen Untersuchung wird eine kleine Menge, etwa 5-10 ml Knochenmark benötigt, das entweder aus dem Beckenknochen (Beckenkammbiopsie) oder dem Brustbein (Sternalpunktion) entnommen wird.

Die Punktion erfolgt unter örtlicher Betäubung. Mit Hilfe einer geeigneten Nadel entnimmt der Arzt die entsprechende Menge. Anschließend wird die Einstichstelle mit einem Druckpflaster versorgt.

Nach ca. 30 Minuten Rückenlage auf einem Sandkissen hatte ich es endlich überstanden, ohne zu ahnen, dass diese Prozedur noch etliche Male auf mich zukommen sollte.

Knochenmark und Rückenmark – zwei unterschiedliche Dinge

Bei Patienten mit akuten Leukämien können auch die weichen Hirnhäute befallen sein. Für eine exakte Diagnose kann es notwendig werden, zusätzlich zur Knochenmarkuntersuchung den Nervenwasserkanal im Bereich der Lendenwirbelsäule zu punktieren, sog. Lumbalpunktion. In diesem Nervenwasserkanal befindet sich die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit. Zur Entnahme dieses Nervenwassers sticht der Arzt zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbeldornfortsatz mit einer sehr feinen, langen Hohlnadel ein. Im allgemeinen ist dafür keine örtliche Betäubung erforderlich. Meistens sitzt man bei der Entnahme vornübergebeugt.

Einige Tage nach meiner Knochenmarkentnahme lag das Ergebnis vor. Die Diagnose lautete: M D S – Myelodyplastisches Syndrom (eine bestimmte Anämieform).

Ich sollte einen Beutel EK‘s (Erythrozyten – rote Blutkörperchen) als Bluttransfusion bekommen. Ich schaute in eine andere Richtung, ich wollte das Legen der Braunüle nicht sehen und schon gar nicht, was da aus dem Beutel in meine Armvene tropfte. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, EK‘s sind nicht rot, sondern medizinisch aufgearbeitet und vielleicht eine klare, helle Substanz. Ich schob den Gedanken einfach weg, dass da jetzt Blut von einem völlig fremden Menschen in meinen Körper floß. Mein Mann redete mir gut zu und meinte, meine ablehnende Haltung wäre mit Sicherheit nicht gut. Also wagte ich ganz zaghaft einen Blick auf die Infusion. Und tatsächlich, es war richtiges rotes Blut. Mir wurde ganz schön mulmig in der Magengegend. Nach gut zwei Stunden hatte ich es überstanden, in dem guten Glauben: Einmal und nie wieder. Welch ein Irrtum! Diese Transfusionen sollte ich noch etliche Male bekommen. In der Uni insgessamt 36x , wobei die Abstände immer kürzer wurden, zum Schluss alle 10-14 Tage und der Hb – Wert auf 5,5 sank.

Unser Körper ist darauf trainiert, absterbende Zellen durch neue zu ersetzen. Dabei teilen sich die neuen Zellen zunächst und reifen dann aus, um ihre Funktion, also ihre Arbeit, übernehmen zu können. Dieses System funktioniert bei gesunden Menschen perfekt. Diese Zellerneuerung, die in den verschiedenen Organen des Körpers unterschiedlich schnell stattfindet, läuft auch im Knochenmark ab. Dort wird je nach Bedarf die entsprechende Menge von Blutkörperchen gebildet.

Für ca. 4000 Menschen in Deutschland lautet jedes Jahr die schreckliche Diagnose: LEUKÄMIE

Die Hälfte der Betroffenen sind Kinder und Jugendliche. Bei Leukämiepatienten ist der zuvor beschriebene Ablauf der Zellproduktion gestört. Die Zellen teilen sich unkontrolliert und ungehemmt. Leukämie ist also der Sammelbegriff für eine Reihe von bösartigen Krankheiten, die alle eine krankhaft gesteigerte Vermehrung von weißen Blutkörperchen aufweisen.

Grundsätzlich unterscheidet man einerseits zwischen akuten und chronischen sowie andererseits zwischen lymphatischen und myeloischen Leukämieformen. Sie unterscheiden sich in ihrer Symptomatik ebenso, wie in ihrem Krankheitsverlauf und ihrer Prognose. Auch die Behandlungsstrategien sind bei den einzelnen Arten unterschiedlich.

Einem Teil der Patienten kann durch Chemo- und Strahlentherapie geholfen werden. Für viele Patienten aber ist die Übertragung gesunder Stammzellen, besser bekannt als Knochenmarktransplantation, die einzige Hoffnung auf ein neues Leben.

Meine Diagnose lautete ja, wie bereits gesagt: M D S, d.h. mein Knochenmark bildete immer weniger rote Blutkörperchen. Bereits im Sommer 97 sprachen die Ärzte auch bei mir zum ersten Mal von Transplantation.

Prinzipiell besteht die Möglichkeit der autologen und der allogen Transplantation. Bei der autologen wird dem Patienten eigenes Knochenmark bzw. eigene Blutstammzellen übertragen. (Autos: griechisch: selbst aus dem Körper entstanden)

Bei der allogenen KMT erhält der Patient das Knochenmark von einem Spender. Dieser Fremdspender muss erst gefunden werden. Das kann ein Wettlauf mit der Zeit sein. Die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen beginnt.

In einer Spenderdatei sind freiwillige Spender registriert. Diese heißt: Deutsche Knochenmarkspenderdatei, abgekürzt DKMS.

Im März 2000 waren fast 700.000 Spender registriert. Trotzdem bleibt noch immer für knapp 30% aller Erkrankten, die eine Transplantation benötigen, die Hoffnung auf ein neues Leben unerfüllt, weil kein passender Spender gefunden werden kann. Es gibt also noch viel zu tun!

Wie werde ich Lebensspender?

Voraussetzungen zur Aufnahme in die Spenderdatei sind:

  1. Sie müssen zwischen 18 und 55 Jahre alt sein
  2. Sie leiden an keiner ernsthaften Krankheit

Es beginnt alles mit einem kleinen „Pieks“, dabei werden Ihnen 10 ml Blut abgenommen. Das Blut wird im Labor untersucht und 4 von 6 Gewebemerkmalen festgestellt. Diese Daten werden in die Datei aufgenommen und an das Zentrale Knochenmarkspenderregister für Deutschland, das ZKRD, in Ulm weitergeleitet.

Nur Registrierung in der DKMS – keine bindende Verpflichtung. Es kann erst nach Jahren zu einer Anfrage kommen, und in dieser Zeit können im Leben eines Spenders Umstände (Krankheit) eingetreten sein,die eine Spende unmöglich machen. Wichtig: Seine Zustimmung!

Stimmen die Gewebemerkmale (bei den Blutstammzellen werden diese Merkmale mit der Abkürzung H L A bezeichnet) überein, wird nochmals eine Bestätigungstypisierung durchgeführt. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich der Spender endgültig entscheiden muss, Wenn er „Ja“ gesagt hat, wird bei ihm ein gründlicher Gesundheits-Chep-up durchgeführt.

Für den Patienten beginnt nun die Vorbereitungsphase, in der sein krankes Knochenmark durch aggressive, hochdosierte Chemotherapie, die vier- bis zehnmal so stark ist wie eine konventionelle Chemo, zerstört. Eventuell in Kombination mit Ganzkörperbestrahlung. Man nennt diese Vorbereitung auf die eigentliche Übertragung Konditionierung. Ein Widerruf des Spenders während dieser Phase hätte den schnellen Tod des Patienten zur Folge.

Wie läuft eine Lebensspende ab? Es gibt mittlerweile zwei Methoden, Stammzellen zu spenden: 1. durch eine Knochenmarkentnahme aus dem Beckenkamm 2. über die periphere Stammzellentnahme , bei der die Stammzellen direkt aus dem fließenden Blut entnommen werden. Die genannten Verfahren unterscheiden sich lediglich in der Art und Weise, wie die Stammzellen dem Körper des Spenders entnommen werden. Ein weiteres Verfahren ist die Nabelschnurblutspende, hierzu in Teil II mehr.

  • Die Knochenmarkentnahme Das Knochenmark (nicht zu verwechseln mit dem Rückenmark) wird dem Spender unter Vollnarkose mit einer Punktionsnadel aus dem Beckenknochen entnommen. Dabei wird durchschnittlich 500 bis 1000 ml Knochenmark-Blut-Gemisch entnommen. Das entspricht nur etwa 5 % des Gesamtvolumens. Schon nach 2 Wochen hat der gesunde Körper des Spenders das entnommene Knochenmark vollends nachgebildet. Nach 2-3 Tagen im Krankenhaus kann der Spender wieder nach Hause. Natürlich geht ein solcher Eingriff am Spender nicht spurlos vorüber. Neben allen Risiken der Vollnarkose muss der Spender mit Schmerzen (ähnl. einem Tritt) rechnen.
  • Die Entnahme peripherer (zirkulierender) Stammzellen Bei dieser Methode wird dem Spender über ca. 4 Tage hinweg ein hormonähnlicher Stoff (Wachstumsfaktor) gespritzt, um die im Knochenmark vorkommenden Stammzellen zur Vermehrung anzuregen und ins zirkulierende Blut auszuschwemmen. Während der Medikamtengabe können Gliederschmerzen auftreten, die mit Grippesymptomen vergleichbar sind.

Nach Abschluss der Vorbehandlung können die Stammzellen dann über ein spezielles Verfahren, genannt Apherese, aus dem Blut gesammelt werden. An beide Arme werden venöse Zugänge gelegt. Das Blut fließt von einem Arm durch einen sogenannten Zellseperator und über einen zweiten Zugang in den Körper zurück. Dieser Apparat trennt das Blut in seine Bestandteile auf, die benötigten Stammzellen werden gesammelt, die übrigen Blutbestandteile werden wieder in den Körper geleitet. Somit haben Sie die beiden Möglichkeiten einer Stammzell-Spende kennengelernt.

Und wie geht es nun mit dem Patienten weiter? Ich sprach vorhin von Konditionierung, d.h. Vorbereitung durch Chemo.

Meine eigene Konditionierung dauerte 9 Tage d.h. Tag 9 Tag 8….. jeden Tag Chemo mit allen qualvollen Begleiterscheinungen: Übelkeit – Erbrechen – Entzündungen der Mund- und Darmschleimhäute Haarausfall Brennende Fußsohlen Tag 0 war bei mir der 25. Februar 1999

Die eigentliche Stammzell-Transplantation ist ein erstaunlich unspektakuläres Verfahren. Für die Übertragung ist kein chirurgischer Eingriff erforderlich. Die Stammzellen werden mittels eines zentralen Venenkatheders in die Blutbahn des Patienten übertragen. Sie finden dann allein ihren Weg in ihr Speicherorgan – das Knochenmark.

Nach der Transplantation, das heißt wenn der Patient nach einer Hochdosis-Chemotherapie seine eigenen oder fremden Stammzellen erhalten hat, beginnt eine sehr kritische Zeit für den Betroffenen. Zu diesem Zeitpunkt funktioniert das transplantierte Knochenmark noch nicht. Daher müssen die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen durch Bluttransfusionen ersetzt werden. Für die weißen Blutkörperchen gibt es in dieser Zeit keinen Ersatz. Infektionen könnten jetzt lebensbedrohend sein. Deshalb liegen die Patienten auf Isolierstationen und dürfen nur von besonders geschultem Personal gepflegt werden. Besucher müssen durch eine Desinfektionsschleuse gehen, Kittel, Handschuhe und Mundschutz tragen. Etwa 20 – 25 Tage nach der Transplantation beginnt das transplantierte Knochenmark neue Blutzellen zu produzieren. Wenn es keine Komplikationen gibt!!

Eine Komplikation ist die Abstossreaktion. Die Zellen des menschlichen Körpers tragen Markierungen, die erkennen lassen, ob es sich um eigenes oder fremdes Gewebe handelt. Was einerseits als wirksamer Schutz des Organismus funktioniert, erschwert andererseits bei Transplantationen von Organen und Gewebe den Erfolg der Behandlung. Im Idealfall sind alle sechs Marker des Spenders und Empfängers identisch. Die Chance, einen verträglichen Gewebetyp zu finden, ist innerhalb der nächsten Verwandtschaft am größten.

Bei mir selbst passte weder mein Bruder noch unsere 3 Kinder, so dass im Spenderegister gesucht werden musste. Im Jan. 1999 war eine passende Spenderin gefunden.

Es ist bekannt, dass in Deutschland und den USA für Minoritäten und Kindern aus Mischehen praktisch keine passenden Transplantate gefunden werden können. Die Situation wird sich durch die Globalisierung wahrscheinlich noch verschärfen. Die arabischen Länder können z.B. nur sehr eingeschränkt von den internationalen Spenderegister profitieren. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate planen daher die Einrichtung von individuellen Stammzellbanken mit dem Nabelschnurblut aller in Zukunft geborener Kinder ihrer Länder.

Nabelschnurblut – Das aber ist das Thema des nächsten Teils.

Abschließend zu meiner KMT möchte ich sagen, die Stammzellen von meiner Spenderin Petra haben ihren Weg gefungen. Allerdings ist es ein recht beschwerlicher Weg, auch mit Abstoßreaktionen und vielen Krankenhausaufenthalten gewesen. Aber ich habe es bis hierher geschafft und bin meiner Spenderin unsagbar dankbar, denn nur durch ihre Spende stehe ich heute noch hier!!

Stammzellen und Nabelschnurblut

Stammzelltherapie – kaum ein medizinisches Schlagwort hat im Verlauf der letzten Jahre die Phantasie der Wissenschaftler stärker beflügelt und auf kaum einem anderen Gebiet sind derart bahnbrechende Ergebnisse erzielt worden. Die Wissenschaft ist sich einig: Stammzellen sind der große Hoffnungsträger für die Menschen des 21. Jahrhunderts, so wie es die Entwicklung der Impfstoffe und Antibiotika im 20. Jh. war. Stammzellen sind keine neue Entwicklung. Seit dem Ende des 2. Welt- krieges wurden sie zunächst in der Krebstherapie und später auch bei Bluterkrankungen genutzt. Die Erfahrungen mit Knochenmark bilden die Grundlage des Wissens um die Vielseitigkeit und die Einsatzmög- lichkeiten von Stammzellen.

In weiten Teilen der Bevölkerung herrscht derzeit noch große Verwirrung, was das Thema Stammzellen anbetrifft. Auf der einen Seite berichten die Medien ständig über neue Perspektiven bei der Therapie von verschiedenen Krankheiten mit Stammzellen, auf der anderen Seite wird gleichzeitig vor dem Einsatz solcher Zellen gewarnt. Deutlich wird, dass sich die Aufmerksamkeit der Medien bisher im wesentlichen auf die embryonalen Stammzellen und die Chancen und Risiken des therapeutischen Klonens konzentrieren. Eine Unterscheidung zwischen ethisch bedenklichen embryonalen Stammzellen, adulten (erwachsenen) Stammzellen oder Nabelschnurblut-Stammzellen wird kaum gemacht. Was aber sind Stammzellen? Die befruchtete Eizelle kann als „Urstammzelle“ betrachtet werden. Sie verfügt über alle genetischen Informationen, um sich zu einem vollständigen Menschen entwickeln zu können. Alle ca. 230 Zell- und Gewebetypen des menschlichen Körpers sind auf diese eine Urzelle zurückzuführen. Das sind die Zellen von Haut und Nägeln ebenso wie Muskelgewebe oder die hochspezialisierten Nervenzellen.

Die befruchtete Eizelle ist entwicklungstechnisch gesehen ein Alleskönner. Die Wissenschaft spricht von „totipotent“ lat.: totus = alles, Potenz = Fähigkeit, Können Die allerersten Zellen, die aus der befruchteten Eizelle durch Teilung hervorgegangen sind, bezeichnet man als embryonale Stammzellen. Sie haben 2 besondere Eigenschaften:

Sie können sich 1. endlos teilen und 2. zu jeder beliebigen Zelle des menschlichen Körpers entwickeln.

Je weiter die Entwicklung des Embryos voranschreitet, desto mehr spezialisieren sich die Stammzellen auf bestimmte Gewebetypen. Sie können sich also nicht mehr in alle, sondern nur noch in einige bestimmte Zell- oder Gewebetypen umwandeln. – pluripotent –

Je größer und älter der Embryo wird, desto weniger Stammzellen benötigt er. Eine Reserve für das Erwachsenenalter bleibt allerdings auch nach der Geburt zurück. So findet sich in den Organen und Geweben von erwachsenen Menschen immer noch ein Vorrat von adulten = erwachsenen Stammzellen. Im Knochenmark sind sie ja dafür verantwortlich, dass die Blutzellen immer wieder erneuert werden oder in der Leber reparieren sie Schäden.

Wie der Name schon sagt, werden embryonale Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen. Diese Zellen können auf 3 Arten gewonnen werden:

  1. Aus überzähligen Embryonen, die bei einer künstlichen Befruch- tung entstehen und nicht mehr für eine Schwangerschaft benötigt werden.
  2. Aus abgetriebenen Föten, die zwischen 5 und 9 Wochen alt sein müssen.
  3. Durch Klonen Dazu wird einem erwachsenen Menschen eine Körperzelle entnommen. Aus dieser Zelle wird mit einer feinen Pipette unter dem Mikros- kop der Zellkern isoliert. Dieser Zellkern wird in eine Eizelle eingebracht. Hierzu werden einer Spenderin durch eine Operation Eizellen aus dem Eierstock entnommen. Von einer dieser Eizellen wird der Zellkern ebenfalls entfernt, um Platz für den zuvor isolierten Zellkern des Patienten zu schaffen. Dieser Zellkern wird also in die kernlose Eizelle eingespritzt und danach mit einem kleinen Stromschlag zum Wachstum angeregt.

Beim sogenannten therapeutischen Klonen wollen Wissenschaftler neues Gewebe mit dem Erbgut eines Patienten züchten. Technik wie zuvor besprochen.

Reproduktives Klonen bedeutet, die Embryonen werden erzeugt, um identische Nachkommen zu schaffen. Und Letzteres ist nach internationaler Übereinkunft nicht erlaubt.

In Deutschland verbietet das „Embryonenschutzgesetz“ die Verwertung embryonaler Zellen, weil es davon ausgeht, dass es sich bei den embryonalen Zellen um menschliches Leben handelt. Dieses wird durch die Entnahme von Stammzellen vernichtet.

Zellkulturen, die unter Umgehung des deutschen Embryonenschutz- gesetzes, z.B. in den USA, aus menschl. Embryonen gewonnen wurden, unterliegen diesem Gesetz nicht. Die Beschäftigung mit Zellkulturen aus embryonalen Stammzellen ist in Deutschland somit möglich.

Ist dies ein Widerspruch zu den Schlagzeilen der letzten Monate? England gibt das therapeutische Klonen frei, hieß es da. Frankreich wird folgen. Im Gegensatz zur deutschen und katholischen Haltung zu diesem Thema verfügt der englische Embryo erst ab dem 14. Tag seiner Existenz über die vollen Menschenrechte. Erst ab dem 14. Lebenstag eines Embryo fällt die Entscheidung, ob es sich um e i n Individium oder um m e h r e r e Individuen (Mehrlinge) handelt. Die 2 Wochen zwischen der Befruchtung und dem Stichtag 14 sind sozusagen „ethisches Niemandsland“. Diese Situation ist aber auf Deutschland nicht übertragbar.

Die gesetzliche Position bedeutet aber keineswegs, dass damit die Stammzellen-Forschung und die Anwendung zur Heilung von Krankheiten in Deutschland ausgeschlossen sind. Denn Stammzellen lassen sich nicht nur aus embryonalen Zellen gewinnen, sondern auch aus dem Knochenmark und vor allem aus dem Blut der Nabelschnur. Hier zeichnet sich ein Ausweg aus dem bioethischen Dilemma ab. Die bisherigen Erfolge sind hoffnungsvoll und die Vorteile gegenüber allen anderen Methoden sind unübersehbar. Häufig wird in der Diskussion auf den Standort DEUTSCHLAND hingewiesen. Deutschland hat die Voraussetzungen, bei Nabelschnur- blut-Stammzellen eine führende Rolle zu spielen.

Die Transplantation von Stammzellen zur Heilung von Krankheiten hat sich in den letzten Jahren rasch entwickelt. Stammzellen werden kein Allheilmittel gegen alle Krankheiten und Gebrechen sein, aber die Entwicklungsmöglichkeiten sind geradezu revolutionär.

Schon heute lässt sich das Blut aus der Nabelschnur so einlagern, dass jeder Mensch zeit seines Lebens eigene Stammzellen zur Verfügung hat.

Wer die Chance der Einlagerung des Nabelschnurblutes bei der Geburt verpasst, wird dies später nie mehr nachholen können. Deshalb ist eine umfassende Aufklärung erforderlich.

Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was eigentlich nach Ihrer Geburt mit Ihrer Nabelschnur geschehen ist? Vermutlich nicht, warum auch, schließlich liegt die Geburt ja schon viele Jahre zurück. Auch werdende Eltern von heute werden sich mit der Frage „Wohin mit der Nabelschnur meines Kindes?“ kaum beschäftigen, ist ihre Aufmerksamkeit doch zunächst auf die Geburt eines gesunden Babys gerichtet. Wozu kann die Nabelschnur danach noch nütze sein?

Zu nichts – so dachte man zumindest bis vor wenigen Jahren noch, und dementsprechend wanderte die Nabelschnur in der Regel in den Müll und wurde entsorgt. Vielfach passiert dies leider auch heute noch. Doch mit Sicherheit wird sich an dieser Einstellung schon bald vieles ändern. Denn inzwischen weiß man, wie wertvoll die Nabel- schnur, genauer das in ihr enthaltene Blut, für die Medizin von heute und erst recht von morgen sein kann.

Aktuelle Studien zeigen, dass Nabelschnurblut neben den eben genannten Blutstammzellen auch weitere Stammzellen enthält, z.B. für die Leber, Muskeln, Knochen und Knorpel, aber auch für die Nerven. NSB-Stammzellen können demzufolge eine wichtige Alternative zu den umstrittenen embryonalen Stammzellen sein. Ein therapeutisches Klonen, wie es mit embryonalen Stammzellen durchgeführt werden kann, ist mit NSB-Stammzellen nicht möglich.

Moralische Bedenken spielen hier also keine Rolle, da nur Material verwendet wird, das andernfalls weggeworfen würde. Diese Stammzellen sind sehr wertvoll, da sie zur Krebstherapie eingesetzt werden können. Bei einigen schweren Krebserkrankungen wie Leukämie, Brustkrebs oder Lungenkrebs können mit einer Hochdosis- Chemotherapie die Krebszellen vernichtet werden, wobei jedoch auch die Stammzellen im Knochenmark geschädigt werden. Diese müssen durch eine Stammzell-Transplantation ersetzt werden. Die oft erfolglose Suche nach passenden Knochenmarkspendern kann sich so erübrigen.

Prinzipiell stehen Eltern bei der Entscheidung, was mit der Nabelschnur ihres neugeborenen Kindes nach der Geburt geschehen soll, drei Wege offen:

  1. Die Nabelschnur kann – wie üblich – zusammen mit den darin enthaltenen Stammzellen als biologischer Abfall entsorgt werden. Angesichts des heute bekannten Nutzens der Stammzellen ist dieser Weg eine Verschwendung wertvoller Ressourcen.
  2. Das in der Nabelschnur enthaltene Blut kann einer öffentlichen Blutbank gespendet werden, die es in anonymisierter Form für fremde Empfänger einlagert. D.h. alle Herkunftsdaten werden gelöscht und der Spender selbst hat kein Verfügungsrecht mehr. Das Blut wird bei Bedarf kostenpfl. abgegeben. (15.300 $)
  3. Das Blut kann für die individuelle Aufbewahrung einer privaten Nabelschnurbank übergeben werden, wo es für den Fall der Anwendung auf Abruf bereitgehalten wird.

Weltweit haben sich verschiedene Institutionen auf den Service der Einlagerung von Nabelschnurblut spezialisiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt schätzt man die Anzahl der weltweit inidividuell gelagerten Stammzellproben auf über 40.000. Der größte Teil davon lagert in den USA.

In Europa ist es derzeit die dänische Firma MESIBO und das deutsche Biotechnologie-Unternehmen VITA 34 in Leipzig, das für Deutschland, Österreich und die Schweiz einlagert. (Seit Juni 2001 die Fa. Cryocell, die von Belgien gesteuert wird)

Eltern, die sich für eine indiv. Einlagerung entschieden haben, erhalten vom einlagernden Unternehmen ein Entnahmeset. Das wird zur Entbindung mitgenommen. Die Blutentnahme aus der Nabelschnur-Vene erfolgt nach der Abnabelung. Sie stellt somit weder für die Mutter noch für das Kind ein Risiko dar.

Der Beutel mit dem Blut muß innerhalb 24 Stunden per Kurier an den Einlagerer gesandt werden. Im Labor wird das Blut einigen Qualitäts- prüfungen unterzogen und dann bei -196° C kryokonserviert. Die Technik der Kryokonservierung ist eine Fortentwicklung der Methoden, die bereits seit vielen Jahren zur Kälteaufbewahrung von Spermaproben und anderen menschlichen Zellen und Gewebe verwendet wird. Mittels Vitalitätstest konnte gezeigt werden, dass die eingelagerten Stammzellen auch nach Jahren des Kälteschlafs nach dem Auftauen nichts von ihrer Funktionsfähigkeit eingebüßt haben.

Zur Zeit ist also Vita 34 die einzige deutsche Anlaufadresse für alle Eltern, die für ihr Kind gesundheitliche Vorsorge treffen möchten. Die individuelle Einlagerung von Nabelschnurblut wird gern mit einer „biologischen Lebensversicherung“ verglichen. Derzeit müssen Eltern die Einlagerung der Stammzellen ihres neugeborenen Kindes selbst finanzieren.

Was kostet die Einlagerung? Die Kosten für die Entnahme, den Transport und die Einlagerung für 20 Jahre liegen bei ca. 3.500 DM. Umgerechnet entspricht dies einem Betrag von 15,– DM pro Monat.

(Die Beschränkung der Lagerung auf 20 Jahre hat keine technischen sondern rechtliche Gründe.)

Was die zukünftige wissenschaftliche Forschung bringen wird, ist nicht vorhersehbar. Aber es ist damit zu rechnen, dass mit der individuellen Stammzelleinlagerung im Erkrankungsfall ein konkreter Nutzen verbunden ist.

Unabhängig davon, wie sich Eltern entscheiden: Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist Nabelschnurblut zu kostbar, als dass es einfach vernichtet wird. Es sollte entweder gespendet oder für eine private Vorsorge eingelagert werden!